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Die jüngsten Gerichtsbeschlüsse zur Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen und bei Versammlungen zeigen, dass der Datenschutz ein wichtiges und sensibles Thema bleibt. Daneben gibt es weitere Besonderheiten, die den Einsatz von Videosicherheitstechnik im städtischen Kontext beeinflussen.
Dem Einsatz von Videoüberwachung muss eine rechtliche Grundlage und Verhältnismäßigkeit zu Fuße liegen, da sie in der Regel einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Meist denken Entscheider hier in erster Linie an die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder Landesdatenschutzgesetze. In Deutschland ist es jedoch oftmals das Polizeigesetz (POG) einzelner Länder, welches die rechtliche Grundlage für eine zulässige Videoüberwachung ist.
Wann kann Videoüberwachung erfolgen?
Durch das POG ist die Polizei unter bestimmten Umständen berechtigt, Videotechnik einzusetzen bzw. deren Einsatz zu fordern. Dazu gehört in erster Linie, dass es sich bei dem fraglichen öffentlichen Areal um einen sogenannten Kriminalitätsschwerpunkt handelt. Dies sind Orte, an denen nachgewiesenermaßen vermehrt Straftaten verübten werden – wie etwa Drogenhandel, Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen – oder deren Beschaffenheit das Begehen derartiger Straftaten begünstigt. Es gilt jedoch stets zu prüfen, ob nicht auch mildere Maßnahmen, wie etwa eine verbesserte Beleuchtung oder der Einsatz von mehr Zivil- oder Streifenpolizisten geeignet sind, die Zwecke zu erfüllen, also solche Straftaten beispielsweise zu verhindern oder sie aufzuklären. Auch bei mangelnder Zweckerfüllung durch den Einsatz von Videosicherheitstechnik gibt es unter Umständen Einspruch von Seiten des Datenschutzes. Diese kann beispielsweise vorliegen, wenn die Bildqualität nicht in allen Bereichen des überwachten Raums ausreicht, um z. B. Straftäter identifizieren zu können (= Zweck der Überwachung).
Integration und Partizipation
Stichwort Datenschutz: Bei Videoprojekten im öffentlichen Raum ist immer wieder zu beobachten, dass die Datenschützer als „Gegner“ wahrgenommen und aus Angst vor etwaigem Widerstand lange aus dem Entscheidungsprozess herausgehalten werden. Der oder die Datenschutzbeauftragte oder die zuständige externe Datenschutzaufsicht – sowohl kommunal als auch auf Landesebene – erfüllt jedoch in einer demokratischen Gesellschaft eine wichtige Funktion. Je früher eine Einbindung in das Projekt und die Planung erfolgt, desto besser kann „auf Augenhöhe“ kommuniziert werden.
Reden wir über dasselbe?
Damit Projektverantwortliche und Datenschützer von „denselben Dingen“ reden, hat es sich bewährt, bei Videoprojekten im öffentlichen Raum auf 3D-Simulationen zurückzugreifen, die oftmals bei Herstellern von Videosicherheitstechnik erhältlich sind. Diese anschaulichen Visualisierungen bilden den zu überwachenden Bereich, z. B. einen öffentlichen Platz in einer Innenstadt, als „digitalen Zwilling“ nach. In diesem Modell lassen sich dann Standorte, Sichtfelder und die Bildqualitäten der einzelnen Kameras exakt simulieren. Somit können die am Projekt beteiligten Personen sehen, welche Bildqualität die Kameras in jedem Teilbereich des zu erfassenden Bereiches liefern. Die Auflösungsqualitäten werden wiederum in der Norm DIN EN 62676-4 für Videoüberwachungsanlagen definiert. Diese unterscheidet zwischen mehreren Bildqualitäten für verschiedene Zwecke. Im Bereich der Videobeobachtung bzw. Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist meist eine Auflösungsdichte von 250 Pixel pro Meter (px/m) gefordert. Sie ist fast immer ausreichend, um Täter vor Gericht zweifelsfrei identifizieren zu können.
Darüber hinaus wird im 3D-Modell sichtbar, wo personenbezogene bzw. personenbeziehbare Daten anfallen und ob Kameras eventuell anders platziert werden müssen, damit die Verantwortlichen sie datenschutzkonform betreiben können. Gleichzeitig kann der Einsatz von weiteren Datenschutz-Maßnahmen geplant werden. Dazu gehören das Verpixeln und Schwärzen von Eingängen zu Wohn- und Geschäftshäusern, die zeitlich begrenzte Speicherung der Videobilder oder gesonderte Zugriffsrechte – wie etwa für öffentliche Verkehrsbetriebe als Zweitverwender der Videoanlage, die lediglich Zugang zu den Übersichtsbildern der Kameras erhalten.
Versammlungsfreiheit besonders schützenswert
Immer häufiger erklären Gerichte den Betrieb stationärer Videoüberwachung bei friedlichen öffentlichen Versammlungen, wie etwa Demonstrationen oder Kundgebungen, für unzulässig. Die Verantwortlichen müssen den Gerichtsbeschlüssen zufolge Kameras nicht nur abschalten, sondern „weithin sichtbar“ deaktivieren.
Statt dem personal- und zeitaufwändigen Abdecken der Kameras mittels über einen Hubsteiger angebrachten Jutesäcken oder Tüten bieten manche Hersteller inzwischen auch technische Lösungen an – wie beispielsweise fernsteuerbare Jalousien, die die Objektive der Kameras abdecken und per Knopfdruck in der Leitstelle aktiviert werden können. Diese „Datenschutz-Rollos“ zeigen den Teilnehmenden damit klar an, dass keine Videoüberwachung stattfindet. Das Oberverwaltungsgericht NRW stellte in diesem Zusammenhang in einem Urteil vom Mai 2022 fest, dass die Videoüberwachung auch für eine gewisse Zeit vor und nach Versammlungen einzustellen ist, da das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch die An- und Abreise von Teilnehmerinnen und Teilnehmern umfasse (Aktenzeichen 5 B 137/21).
Das gehört auch auf das Hinweisschild
Um die Maßnahme der Videoüberwachung deutlich sichtbar zu machen, ist laut BDSG und DSGVO „der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen (…) durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen“. In den meisten Fällen geschieht dies durch ein deutlich sichtbares Hinweisschild. Hier gibt es bereits Exemplare, die explizit darauf hinweisen, dass vor, während und nach Versammlungen keine Videoaufzeichnung stattfindet.
Ohne Datensicherheit kein Datenschutz
Neben technischen und organisatorischen Datenschutz-Maßnahmen darf jedoch auch der Schutz der Daten selbst nicht außer Acht gelassen werden, also beispielweise der Schutz vor unberechtigtem Zugriff oder Verlust. So verankert die DSGVO den Aspekt der Datensicherheit in Artikel 32 „Sicherheit der Verarbeitung“ mit der Vorgabe „Security by Design“. Da Videosysteme immer wieder das Ziel von Cyberangriffen werden, mit denen Hacker entweder Videoaufnahmen „leaken“ oder sich Zugriff auf Netzwerke von Unternehmen oder Organisationen verschaffen, dürfen ausschließlich Videolösungen zum Einsatz kommen, die mit entsprechenden Sicherheitsfunktionen ausgerüstet sind. Dazu gehören beispielsweise die physische Trennung des Firmen- und Videonetzwerks, eine aktivierbare Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, das Erzwingen von starken Passwörtern oder sichere Verfahren zur Netzwerkauthentifizierung. Im Angesicht der geopolitischen Lage zeigt sich, dass Städte und Kommunen sich immer öfter für Videosysteme entscheiden, die in Deutschland bzw. Europa unter rechtsstaatlichen und demokratischen Bedingungen entwickelt und hergestellt werden.
Hilfreiche Checklisten und Best Practices
Um Unternehmen und Behörden bei der rechtlichen Orientierung zu unterstützen, bieten offizielle Datenschutzstellen, wie etwa die Datenschutzkonferenz (DSK) oder der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA), auf ihren Internetseiten nützliche Orientierungshilfen und Leitlinien für den Einsatz von Videosicherheitssystemen an. Auch kann es sich lohnen, bei Herstellern und Anbietern von Videosicherheitstechnik nach weitergehenden Informationen, Leitfäden oder Handreichungen für Videoprojekte im öffentlichen Raum zu fragen.
Fazit: Ein komplexes Thema, aber zu bewältigen
Der Datenschutz ist sicher so alt wie die Videotechnik selbst, doch mit hochauflösenden Kameras, unterschiedlichen Gesetzen und aktuellen Rechtsprechungen ist der Themenkomplex für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum so vielschichtig wie vielleicht nie zuvor. Durch hilfreiche 3D-Projektsimulationen, innovative Technologien, wie etwa Datenschutz-Rollos, und dem Anwenden von Best Practices, lässt sich die Komplexität des Themengebiets jedoch meist gut bewältigen. So können die Sicherheit jedes Einzelnen und der Datenschutz bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im öffentlichen Raum im Einklang miteinander stehen.